28.3.2019: Anreisetag
«…dann beginnt das Ritual des Rucksackpackens: wie lange wird unser Abenteuer voraussichtlich dauern? Wie viele und welche Lebensmittel sollen wir mitnehmen? Aus Vorsicht bemessen wir alles reichlich. Die Säcke werden dadurch erschreckend schwer…» (W. Bonatti)
Wie Bonatti und Zappelli vor der Winterbesteigung der Grandes-Jorasses-Nordwand im Jahr 1963 bemessen auch wir unsere Vorräte reichlich für die kommenden vier Tage und auch unsere Säcke werden dadurch erschreckend schwer. Trotzdem besteigen acht SACler mit ihrem Bergführer Reto Schild, frohgemut die Skier im Skigebiet oberhalb von Argentière auf 1970 m, um in den nächsten Stunden zur Cabane du Trient zu gelangen. Die abwechslungsreiche Skitour führt uns von Frankreich zurück in die Schweiz: Wir überqueren den Glacier d`Argentière, durch steiles Gelände über den Col du Passon (3028 m), weiter über den Glacier du Tour, durch steiles Gelände über den Col du Tour, über das Plateau du Trient und dann endlich zur Cabane du Trient auf 3169 m. Müde, zufrieden, überwältigt, zum Teil mit schmerzenden Rücken (vom Gepäck?) juizend etc. etc. etc. verbringen wir die Zeit bis zum feinen Znacht, welches von der Crew von Olivier zubereitet wurde. Heute beherbergt die Hütte lediglich 25 Personen (Fassungsvermögen: 125). Darüber sind wir froh. Die Nachtruhe beginnt früh und die Nacht war sooooooooo ruhig (Schankedön an alle Nichtschnarcher).
29.3.2019: 2. Tag
«…wir stehen noch vor dem Morgengrauen auf: der Himmel ist sternenübersät, die Kälte beissend, das Thermometer zeigt 20 Grad unter Null. Wir laden uns die ganze Bürde auf die Schultern, nachdem wir die Skis angeschnallt haben…» (W. Bonatti) und wenden uns Richtung Plateau du Tour…
Der Himmel ist sternenübersät, die Kälte angemessen, das Thermometer zeigt ca. 5 Grad unter Null. Auch wir hatten wieder unsere Bürden auf die Schultern geladen, mehrheitlich bevor die Skis angeschnallt waren. Die Nacht ist erholsam, das Morgenessen reichlich. Zufrieden lassen wir die Hütte hinter uns und ziehen unsere Spur entlang der Aquilles Dorées zum Fenetre de Saleinaz auf 3261 m. Wunderbar wärmendes Sonnenlicht begleitet unser Abseilen in weniger steiles Gelände. Als die Gruppe wieder zusammen ist, dürfen wir eine tolle Sulzabfahrt über den Glacier de Saleinaz bis zum Materialdepot auf ca. 2880 m geniessen. Nachdem wir unsere Säcke erleichtert haben, steigen wir nordseitig weiter auf bis zum Ski Depot unter dem Col de la Grand Luy. Danach wartet uns wirklich steiles Gelände, durch das unsere Gruppe, in drei Dreierseilschaften mit Bravour auf- und später wieder absteigt. Der Gipfel des Grand Luy auf 3508 m hat viel versprochen und gehalten. Eine grandiose Aussicht nach Italien und in die Schweizer Alpen liegt uns zu Füssen. Schade nur, dass ein etwas unangenehmer (schei…Wind) bläst und die Essenspause dadurch entsprechend kurz ausfällt. JUIZ, JUIZ, JUIZ tönt es den ganzen Tag von allen Seiten, dies auch wieder, als sich die Gruppe vereint im Bivouac de l`Envers des Dorées auf 2976 m zu einem genüsslichen, reichhaltigen Apéro-Plättli zusammenfindet (Materialdepot musste geräumt werden…). Der Abend verläuft gemütlich im Biwak, bei Bier, Wein, Meiern, kochen, Schnee zu Wasser machen, essen, spielen, Bier und Wein trinken!!! Bis zu sehr später Stunde ein entnervter «Franzose» in kurzer (sehr kurzer) Pyjama-Hose um Ruhe bittet.
An dieser Stelle ein grosses Merci/Grazie/Dankeschön an unsere 5-Sterne Köche Anita und Andy! Wir verneigen uns vor Euch. Grande!
30.3.2019: 3. Tag
Eine endlose Biwak-Nacht, mit unruhigem, zermürbendem Halbschlaf ist zu Ende und eine Teilnehmerin der Tour äussert: «ich bin dankbar, dass ich nicht erstunken bin!»
So nehmen die tapferen TourengängerInnen zusammen mit ihrem Bergführer den neuen Tag zufrieden «in Angriff». Es soll den Tag der drei Cols geben: Col des Planereuses, Col de Crete Sèche und zuletzt der/die Col des Essettes auf 3107 m. Dabei passieren wir den Glacier des Planereuses, den Glacier de Tretsebo. Eine tolle Sulzabfahrt, 1500 Höhenmeter hinunter nach La Fouly im Val Ferret, bei herrlichem Bergwetter und 1A-Verhältnissen ist unsere Belohnung. Wir bestaunen die Fahrkünste der einzelnen Teilnehmenden und vermuten zu Recht, dass der Technik-Kurs im Januar durchaus hilfreich war für unsere Fahrstile. In La Fouly finden wir schnell eine schöne Terrasse für Bier, Schorle, Panaché, Rösti, Käseschnitte und Frites. Gemütliche Stunden bei Gesprächen mit Bekannten und Unbekannten verstreichen schnell und wir machen uns mit erhitzten Gesichtern daran, weiter zu ziehen. Das Grand Hotel von La Fouly ist unsere «Absteige» für die Nacht: wunderbare Zweierzimmer, Etagenduschen und WC, gutes Essen und keine Spielhöllen in der Nähe, so dass wir frühzeitig und mit klarem Geiste in die wohlverdiente Nachtruhe gehen können. Umstellung der Zeit: -1 Stunde Schlaf (Fazit nach langer Hin- und Herrechnerei).
31.3.2019: 4. Tag
Aufstehen, packen, Morgenessen…los gehts um 4 Uhr früh von La Fouly entlang der Combe des Fonds in der Dunkelheit Richtung Petit Col Ferret auf 2486 m, welchen wir bei Anbruch des Tages erreichen. Anita Frutiger muss der Gruppe an dieser Stelle mitteilen, dass sie den Gipfelsturm auf den Mont Dolent (3820 m) an diesem Tag nicht wagen will, da sich die latenten Rückenschmerzen zunehmend als hinderlich herausstellen. Sie verlässt die Gruppe, kommt wohlbehalten in La Fouly an und tritt die Rückreise noch vor dem «grossen Stau» an. Wir ziehen unsere Skier weiter die weiten Hänge hinauf, vorbei am Bivacco Fiorio auf 2729 m, höher und höher und die ganz «Grossen» der Alpen lassen sich blicken: Mont Blanc, Grandes Jorasses, Walkerpfeiler… Beim Anblick dieser imposanten Riesen bleiben offensichtlich nicht alle Augen trocken. Ab und zu tut es wohl gut, zu erleben, wie klein und unbedeutend wir doch sind, zu realisieren, wie wichtig wir uns nehmen im Hier und Jetzt und wie wenig wichtig wir doch sind. Im Hier und Jetzt ja, aber als kleiner Teil des Grossen Ganzen. Die letzten ca. 200 Höhenmeter ohne Skier, im besten Trittschnee zum Grat auf den Gipfel…Halleluja, Juiz und Danke! Nach Ausdruck der Freude und Gratulation für die Leistung geht es in drei Seilschaften, mit nötiger Vorsicht und Respekt, hinunter zum Skidepot. Der zunehmend rege besuchte Gipfel ist für uns ein spannendes Beobachtungsfeld, häufiges Fazit: so nicht und trotzdem: Wie wenig doch eigentlich an Bergen passiert. Die rassige Abfahrt in bestem Sulz unternehmen wir über den Glacier de Pré de Bard, erreichen unterhalb des Bivacco Fiorio den rechten Weg, der uns ohne hochsteigen zu müssen wieder wohlbehalten zum Petit Col Ferret führt. Danach geniessen wir die weite Abfahrt durch die Combe des Fonds hinunter an unseren Ausgangspunkt in La Fouly. Trinken, essen, zusammenpacken, Taxi beladen, nach Orsière fahren, dort auf den Zug warten, welcher uns nach Martigny chauffiert. Dort verlässt uns Rico, welcher über Lausanne, Bern nach Zürich reist. Für die restlichen Teilnehmerinnen geht es weiter nach Visp und Spiez, wo unsere Autos warten. Adieu sagen und nach Hause tuckern. Müde und mit zufriedenen Gesichtern ankommen.
Tolle vier Tage in einer grandiosen Alpenlandschaft durften gemeinsam in einer wunderbaren Gruppe erlebt werden. Geführt von Ruhe, Kompetenz und Gelassenheit. Getragen von Respekt, Wertschätzung und einem enormen Wir-Gefühl.
Grosser Dank an Kevin für die Planung, Durchführung, Präsenz vor und am Berg!
Grosser Dank an Reto Schild (Wissen/Erfahrung/Kompetenz/Präsenz/im Hier und Jetzt) und vielem Mehr!
Grosser Dank an Pascal für die Seilführung am Berg!
Grossen Dank an: Anita Odermatt, Anita Frutiger, Andy Odermatt, Heidi Schwaiger, Rico
Nächstes Jahr hoffentlich wieder.
Bericht: Christina Vögtli